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Wird Merz es noch versemmeln?

Ein Kommentar unseres Bundesvorsitzenden Jürgen Joost.

Friedrich Merz hat zweifellos Talente, sonst wäre er nicht Parteichef, Fraktionsvorsitzender und Kanzlerkandidat. Was nicht zu seinen Fähigkeiten gehört, sind Gespür und kluge politische Kommunikation. Kanzler wird, so heißt es vielfach, wer die wenigsten Fehler macht. Wenn das stimmt, könnte Friedrich Merz durchaus noch scheitern.

Hirntod, Pest oder Cholera?

Ein zentraler Punkt: Die CDU/CSU steht vor einem Dilemma. Rechnerisch gibt es Mehrheiten rechts von rot-grün, aber diese werden durch die AfD paralysiert. Die Union hat koalitionstechnisch – bildhaft gesprochen – nur die Wahl zwischen Pest, Cholera und Hirntod. Wie geht man mit dieser keineswegs komfortablen Situation um, ohne die eigenen potentiellen Wähler zu verprellen, die insbesondere vor den Grünen schreiend davonlaufen?

Den Hirntod – eine Koalition mit der toxischen AfD – darf man getrost ausschließen. Er wäre final und ohne jede Heilungschance. Niemand, der noch halbwegs alle Tassen im Schrank hat, wird mit einer Partei zusammenarbeiten oder gar koalieren, die von einem völkisch-nationalistischen Netzwerk dominiert wird, als 5. Kolonne Putins agiert und außerdem noch – frei nach dem Motto „Armut für alle“ – Deutschlands Austritt aus EU und Euro fordert. 

Um also den sicheren Hirntod AfD zu vermeiden, bleibt im übertragenen Sinne nur die Wahl zwischen Pest und Cholera, sprich Grünen und SPD. Jedenfalls, wenn man so weiter macht wie bisher.

Über Koalitionen sollte man nach der Wahl sprechen

Der Diskussion, ob man als Union nun mit der SPD oder doch besser mit den Grünen koalieren solle, ist im Wahlkampf so überflüssig wie ein Kropf – und doch wird sie geführt. Weil Merz sich locken lässt, weil er Hintertüren offen lässt, weil er etwas versucht, was er genauso schlecht beherrscht wie kluge Kommunikation – nämlich geschickt zu taktieren. 

Um die Dinge rational zu betrachten: voraussichtlich wird ihm nichts anders übrig bleiben, als entweder mit den Grünen oder mit der SPD zu koalieren. Sich vor der Wahl auf eine Option festzulegen, obwohl man nicht demselben „Lager“ angehört, schwächt die eigene Verhandlungsposition. Andererseits haben die meisten potentiellen Unionswähler die berühmte „Schnauze“ von den Grünen ebenso gestrichen voll wie von der Scholz-SPD. Was wäre die logische Konsequenz?

Die Botschaft wäre so einfach

Die Lösung ist einfach: Man schaut im Wahlkampf nur auf sich. Man kämpft um jede Stimme und vor allen Dingen um die beste Politik für Deutschland. Man erklärt den Wählern, dass nur die Union den Karren wieder aus dem Dreck ziehen kann, in den er von SPD und Grünen unter tätiger Mithilfe der FDP gezogen worden ist. Man distanziert sich vom eigenen Beitrag der Merkel-Ära. Und man setzt auf Sieg: 

„Ihr wollt keine roten oder grünen Koalitionspartner? Dann, liebe Wähler, sorgt dafür, dass wir sie nicht brauchen. Ihr wollt keine rote oder grüne Regierungsbeteiligung? Dann vergeudet Eure Stimmen nicht an die AfD. Macht uns so stark wie es nur geht, und dann sehen wir weiter. Ich, Friedrich Merz, bin bereit, das Land wieder auf Kurs zu bringen“. Oder so ähnlich.

Stöckchen und Fettnäpfe

Statt die AfD zu schwächen, stärkt er sie. Statt die Union zu stärken, schwächt er sie, in dem er sich zur Unzeit auf Koalitionsspekulationen einlässt.

Man nimmt in Wahlkämpfen keine Rücksicht auf mögliche Koalitionspartner, es sei denn, sie stehen im selben Lager. Merz könnte sagen: „Wir wollen alleine regieren, und wenn das nicht reicht, dann möglichst zusammen mit der FDP.“

Aber das macht er nicht. Stattdessen lässt er sich locken. Wankt hin und her. Springt über medial hingehaltene Stöckchen. Tritt zielsicher in Fettnäpfe. Und verliert damit sichtbar an eigener Souveränität und Entschlossenheit.

Hauptsache Kanzler?

Merz und die Union greifen nicht an, sie setzen nur darauf, den aktuellen Umfragevorsprung irgendwie ins Ziel zu retten. Hauptsache Kanzler.

Das hat bei Merkel geklappt, als sie den Kanzlerbonus hatte. Als Oppositionsführerin allerdings wäre es ihr 2005 beinahe gelungen, einen Wochen zuvor überragenden Vorsprung gegen einen angriffslustigen Gerhard Schröder am Ende noch zu verspielen. Auch sie wollte den Vorsprung verwalten und ins Ziel retten. Eigene Inhalte und Visionen wie das Konzept einer umfassenden Steuerreform wurden dieser Taktik zum Fraß vorgeworfen. 

Der Wiederaufstieg wird ohnehin vertagt

Eigene Inhalte oder gar Visionen findet man bei Friedrich Merz ohnehin eher wenig, da ist er Merkel ähnlicher als er denkt. Nun ja, er will den einen oder anderen Fehler der Ampel korrigieren. Das ist gut und notwendig. Vielleicht gelingt es ihm, nach dem von Merkel zu verantwortenden Abstieg in die Zweitklassigkeit den durch die Ampelpolitik drohenden weiteren Abstieg in die Drittklassigkeit zu verlangsamen oder bestenfalls zu stoppen. 

Mit den zu befürchtenden Koalitionspartnern SPD oder Grüne und zusätzlicher Einwirkung der Merkelianer wird es die notwendige Politikwende nicht geben.

Ohnehin fehlen Merz für den Wiederaufstieg in die erste Liga die erforderlichen Ideen und Konzepte und die erforderliche Begeisterungsfähigkeit sowieso. 

Störfeuer von Söder wird nicht ausbleiben, Wüst betrachtet Merz ohnehin nur als vorübergehende Erscheinung. Die in der CDU die Strukturen beherrschenden Merkelianer scharren schon wieder vernehmlich mit den Hufen, sogar Armin Laschet wird wieder verstärkt in Talkshows gesichtet. 

Angeschlagene Boxer sind gefährlich

Und dann sollte man nicht unterschätzen, was ein schwer angeschlagener, aber noch amtierender Bundeskanzler in seiner Verzweiflung noch an Reserven mobilisieren kann. Scholz ist kein Schröder, aber immerhin geht er offensiv mit dem Anspruch in den Wahlkampf, einen 15-Prozentpunkte-Vorsprung eliminieren zu wollen. Dazu reichen 8 minus bei der Union und 8 plus bei der SPD. Unmöglich? Wer weiß schon, was die nächsten Wochen bringen. 

Alles ist möglich, wenn Merz nicht endlich in die Rolle des agierenden, kraftstrotzenden und Hoffnung versprühenden Herausforderers findet. Um Deutschland willen: Nie wieder Scholz. Und eigentlich kann es nur Merz werden. Aber er und die Union können es durchaus noch versemmeln …

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